Montag, 6. April 2009

Glauber Rochas "Barravento" (Brasilien 1962)

1965 entstand Rochas politisch-poetisches Manifest Ästhetik des Hungers, das die Originalität des neuen brasilianischen Kinos in der Darstellung des Hungers und in einer Ästhetik der Gewalt verortet. Dieser für das Cinema Novo äußerst wichtige Begriff findet Ausdruck in der nüchternen und radikalen Ästhetik von Barravento – Rochas erstem Spielfilm – der drei Jahre vor Entstehung des Manifests die Ausbeutung der Fischer aus Bahia dokumentiert.

Im Fischerdorf ist das Leben prekär: Die Fischer leben in Abhängigkeit eines Großhändlers, dem ihre Netze gehören. In langen Sequenzen von Candomblé-Ritualen, Tänzen und afrobrasilianischen Kulten zeigt Rocha das Leben der schwarzen Gemeinde als gefangen in Mystik und Religion. Wie ein Deus ex machina kommt Firmino aus der Stadt, um den Bewohnern beizubringen, an die Revolution zu glauben, anstatt sich in Fatalismus zu flüchten.

barravento


Die flammende Rhetorik Firminos spiegelt einerseits einen damals in linken brasilianischen Kreisen verbreiteten naiven Glauben an eine „fertige“ Revolution wider. Andererseits veranschaulicht der revolutionäre Prozess in Barravento einen typischen Aspekt der brasilianischen Gesellschaft während der populistischen Regierung von Getúlio Vargas (Präsident v. 1930-45 u. 1951-4), nämlich den Bruch zwischen den Massen und ihren Führern. Durch seinen dokumentarischen Charakter und den musikanthropologischen Blick unterscheidet sich Barravento von den späteren Filmen Rochas. Deren barocke, allegorische Stilistik fügt sich zu einem eher elitären Metaphern-Kino.

Barravento ist am 27. Mai im Berliner Zeughauskino zu sehen

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